«Wir pflanzen für Sie einen Baum, um dieses Produkt klimaneutral zu machen». Ein gut lutherisches Apfelbäumchen für jedes verkaufte T-Shirt? Wenn es doch nur so einfach wäre. Im Englischen nennt sich diese Form der Kompensation «offsetting». Bäume werden gepflanzt, bierkastengrosse Parzellen im Regenwald gerettet oder CO2 im Boden gebunden. Was der Baum genau mit den jeweiligen Produkten zu tun hat, bleibt offen. Was bleibt, ist das gute Gefühl der Konsument:innen. Warum das eigene Kaufverhalten hinterfragen, wenn doch am anderen Ende der Welt ein Baum gepflanzt wird?
Diese Art von Kompensation heilt jedoch nur Symptome des Klimawandels und ändert nichts an den Ursachen, nämlich dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen, weil wir zu viel konsumieren. Dabei steht der sprichwörtliche – grüne! – Elefant im Raum. Er verkörpert das Offensichtliche, das keiner anspricht: Eine drastische Reduktion des Konsums würde der Umwelt am meisten helfen. Also weniger Kleidung (auch nachhaltige!) kaufen, weniger reisen und langsamer auf der Autobahn fahren. Mehr noch, anstatt zu denken «Wie kann man Autos mit Solar-Energie betreiben anstatt mit Benzin?», müsste man sich fragen «Wie schaffen wir es, weniger Autos zu ver-/kaufen und auf den Strassen zu haben?»
Die Outdoor-Marke Patagonia greift diesen Gedanken auf. «Don`t buy this jacket» wird auf grossen Plakaten und in Onlineanzeigen verkündet. Klingt gut. Die Wachstumszahlen von Patagonia deuten aber eher darauf hin, dass damit nicht der Konsum reduziert wird – vielmehr jagt ein Rekordjahr das nächste. Das Hamsterrad des Konsums dreht sich munter weiter. Es handelt sich wohl eher um einen gekonnten Marketing-Gag. Denn selbst wenn die Produkte nachhaltig produziert sind, brauchen sie wertvolle Ressourcen in der Herstellung.
Konsumverzicht ist noch immer das bewundernswerte Konzept einer Randgruppe. Alle anderen, auch die sogenannten «bewussten» Konsument:innen, kaufen weiter nachhaltige Kleidung, gehen weiter bei Alnatura einkaufen und beziehen weiter ausgiebig Ökostrom – hoffentlich wissend, dass all dies wichtige Ressourcen frisst. Das geht so lange gut, bis auch der grüne Elefant dem Artensterben zum Opfer fällt.
Prof. Dr. Johanna Gollnhofer verfasst im Jahr 2022 die HSG-Focus-Kolumne. Sie ist Direktorin des Instituts für Marketing und Customer Insight (IMC-HSG) an der Universität St.Gallen.
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